ISBN 3-936049-33-5
116 Seiten 
11 €

 

Bernd Drücke / Luz Kerkeling / Martin Baxmeyer (Hrsg.)
Abel Paz und die Spanische Revolution

Interviews und Vorträge

Im Sommer 2006 jährt sich zum sechzigsten Mal der Beginn der Spanischen Revolution. Die Geschichte von libertärer Revolution und antifaschistischem Widerstand spiegelt sich im Leben des spanischen Anarchisten Abel Paz wieder. Bereits als 15jähriger kämpfte er im Bürgerkrieg auf der Seite der CNT gegen die Franco-Faschisten. 1938 floh er nach Frankreich, kämpfte aber ab 1942 in spanischen Untergrund gegen das Franco-Regime, bis er verhaftet wurde und bis 1953 inhaftiert wurde.

Abel Paz, 1921 geboren und heute in Barcelona lebend, berichtet in spannenden Interviews und Vorträgen über die Selbstorganisation der Bevölkerung, die Enteignungen, die Kollektivierungen der Betriebe und die Schwierigkeiten dieses einzigartigen gesellschaftlichen Experimentes. Ergänzt werden seine Ausführungen durch einen umfassend recherchierten Aufsatz, der die Erfolge und die Schattenseiten dieser vielschichtigen libertären "Revolution ohne Partei und Staat" darstellt und analysiert.

Interview mit Abel Paz
"Der Anarchismus wir nie sterben" in der graswurzelrevolution 291 - Sommer 2004

Rezensionen:

Marcus Termeer: "leben in sozialen kämpfen: Anarchist Abel Paz" in: taz vom 16./17. Juli 2005 mehr...
Alex K.: "Abel Paz und die Spanische Revolution" in: Warschauer Nr. 50 - 2005. Magazin zur Subkultur mehr...
H. (FAU Bremen); "Abel Paz und die Spanische Revolution" in: direkte aktion Nr. 170 - Juli/August 2005 mehr...
Meikel F.: "Abel Paz und die Spanische Revolution" in: terz - Stattzeitung für Düsseldorf, März 2005 mehr...
Jens Kastner: "Revolution und Antimarxismus" in: junge welt vom 29.11.2004 mehr...
Theodor Webin: "Kleine Geschichte der großen Revolution" in: graswurzelrevolution 292 - Oktober 2004 mehr ...

Marcus Termeer: leben in sozialen kämpfen: Anarchist Abel Paz
Hans Magnus Enzensberger hat 1971 nicht Wort gehalten. Abel Paz stellte dem Deutschen umfangreiches Material über Buenaventura Durruti zur Verfügung - eine Schlüsselfigur der spanischen Revolution des Jahres 1936. Allerdings nur für einen WDR-Dokumentarfilm, nicht für ein Buch. Schließlich hatte Paz seinerzeit ein eigenes Manuskript über den Revolutionär fertig gestellt, das jedoch noch unveröffentlicht war. Enzensberger kümmerte das nicht. Er brachte 1972 seinen dokumentarischen Montageroman "Der kurze Sommer der Anarchie" heraus, der auf Paz' Material beruhte. Dessen Durruti-Buch konnte leider erst 1977 erscheinen.
Nun ist Enzensberger schon seit längerem bürgerlich geläutert. Der 83-jährige Paz hingegen ist noch immer unermüdlich für den Anarchismus unterwegs.
Und das ist auch nötig, denn noch heute stehen in Spanien allerorten Statuen Francos. Erst langsam wird an der Tabuisierung der Opfer des Faschismus gekratzt. Paz, der bereits mit 15 für die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT kämpfte, ist einer der letzten lebenden Zeitzeugen von Revolution und Bürgerkrieg. Das Buch über ihn, das Bernd Drücke, Luz Kerkeling und Martin Baxmeyer herausgegeben haben, ist schon deshalb besonders wichtig. Sie haben dafür Interviews und Vorträge aus den Jahren 2001 bis 2004 zusammengetragen.
" Ich […] habe mein ganzes Leben in sozialen Kämpfen verbracht", sagt Paz. Sein publizistischer Kampf galt und gilt der dominierenden "kommunistischen Sichtweise" des Bürgerkriegs "im öffentlichen Bild", der er die "wirkliche Rolle und Bedeutung der Anarchisten" entgegensetzt. Denn: "Wir haben die Revolution gewonnen. Was wir verloren haben, ist der Krieg. Paz verachtet zwar wegen der Rolle der Stalinisten bei dieser militärischen Niederlage, deren Kampf gegen die nicht auf Moskau fixierte Linke, theoriefern gleich alles Marxistische, liefert jedoch Einleuchtendes zur sozialen Verankerung der "jüngste[n] Revolution der Weltgeschichte", deren ProtagonistInnen im Durchschnitt 17 bis 22 Jahre alt waren.
Die gerade bei Bauern, Bergleuten oder Fischern für die Subsistenzsicherung notwendige Solidarität und Kollektivität habe hier eine Basis für den Anarchosyndikalismus bedeutet. 1936, nach dem Wahlsieg der Volksfront, hätten Millionen sozialistisch und anarchistisch organisierter Bauern und Arbeiter nicht auf die Regierung, Amnestie und Landreform gewartet, sondern die Befreiung von rund 80.000 Gefangenen und die Kollektivierung von Ländereien selbst in die Hand genommen. Und so ging es ihnen nach dem Franco-Putsch im Juli des Jahres um mehr als nur die Verteidigung der bürgerlichen Republik. Paz' Erinnerungen zeigen einen exemplarischen Lebensweg: Flucht nach Frankreich 1939, Rückkehr zum Untergrundkampf 1942, Inhaftierung bis 1953, danach erneut Exil in Frankreich, Teilnahme an den Studentenunruhen 1968, schließlich Rückkehr in ein postfranquistisches Spanien, das die einstige Revolution "vergessen" hat.
Paz bewegt sich sehr selbstbewusst in der zeitzeugentypischen subjektiven Perspektive. HistorikerInnen hält er gar für anmaßend, würden diese doch über nichts Selbsterlebtes schreiben. So hat er dann auch manch Eigentümliches zu bieten. Etwa wenn er den Anarchismus zur Quasinatur der "stolzen" SpanierInnen erklärt oder eine Art positiv gewendeten Sexismus betreibt. Frauen, meint er, blieben traditionell hinterm Herd, weil sie schlauer als Männer seien.
Eher wegen als trotz aller Nähe und Sympathie zu Paz und zum Anarchismus - Drücke ist Redakteur der graswurzelrevolution - rücken die Herausgeber zugleich "Mythen" zurecht. Der Hispanist Baxmeyer nutzt für seine instruktive Einführung einen für die Spanische Revolution bislang wenig erforschten Bereich: ihre Literatur und Kultur. Mit diesem Cultural-Studies-Ansatz gelingt es ihm etwa, Hintergründe und Erklärungen für eines "der dunkelsten Kapitel" der Spanischen Revolution zu finden - die auch von Paz kleingeredeten Morde an Nonnen und Priestern - und gleichzeitig die rechte und klerikale Propaganda einzuordnen.

Alex K.: Abel Paz und die Spanische Revolution
Die Rolle der AnarchistInnen in der Spanischen Revolution wird von der offiziellen Geschichtsschreibung ja, wenn überhaupt, nur am Rande behandelt und in der Regel unterbewertet bzw. im negativen Sinne verfälscht. Heruntergespielt wird zumeist der Verrat durch die russischen Kommunisten und die Repression der spanischen kommunistischen Partei gegen die anarchistische Bewegung. Komplett unter dem Tisch fällt fast immer der "kurze Sommer der Anarchie" (Enzensberger) 1936. Die Übernahme der Fabriken in den Städten, vor allem in Barcelona, durch revolutionäre ArbeiterInnen, sowie die unzähligen Agrarkollektive und anarchistischen Kommunen auf dem Land, waren zum grossen Teil tatsächlich selbstverwaltet auf anarchosyndikalistische Basis. Dieser Teil der Geschichte zeigt, dass das Zusammenleben auf allen Ebenen ohne Herrschaft von oben funktionieren kann. Dass die komplette Infrastruktur Barcelonas, von der Strassenbahn über die Versorgung der Bevölkerung bis hin zu der Arbeit in den Fabriken, in Selbstverwaltung funktioniert hat, wird gerne verschwiegen, wenn von "Anarchie" die Rede ist. Wie wäre dieses Experiment verlaufen, wenn es nicht von konterrevolutionären Kräften bekämpft und vom Faschismus zerschlagen worden wäre? Zeugnis dieser turbulenten Zeit legt einer der wenigen noch lebenden Beteiligten, der Durruti-Biograph Abel Paz ab. In dem in Verlag Edition AV erschienen (...) kommt er ausführlich zu Wort. Kernstück sind mehrere Interviews, die Paz während seiner Vortragsreise 2004 gegeben hat. Darin berichtet er erfrischend und aus erster Hand über seine Erfahrungen während der Spanischen Revolution und schließt mit Abel Paz' Vortrag von der Reise. (...) Gehört in jede Punkerbibliothek.

H. (FAU Bremen): Abel Paz und die Spanische Revolution
(...) Wer neu in das Thema einsteigt, wird sich schnell zurechtfinden und leicht durch die Kapitel kommen, was auch der guten Übersetzung durch Ingo Saalfeld zu verdanken ist. Dass Abel Paz kein herkömmlicher, weltabgewandter Historiker ist, macht er allerorten deutlich. In seinen Beiträgen spiegelt sich sein ganzes Leben wider, das er, der 1921 geborene, dem Kampf gegen Klassenherrschaft gewidmet hat. Er ist Zeitzeuge der Spanischen Revolution von 1936 bis 1939, an der er als 15-jähriger teilnahm. Wegen seiner Untergrundtätigkeit gegen den Francofaschismus verbrachte er viele Jahre im Gefängnis.

Die inhaltlichen Schwerpunkte des Buches liegen in der Beschreibung des Kollektivierungsprozesses während der Revolution. Die Kapitalisten und Pfaffen wurden entmachtet und die Gesellschaft verwaltet sich komplett selber, in Stadt und Land. Der Staat wurde abgeschafft. Aber wie funktionierte diese Arbeiterselbstverwaltung? Wie wurde kollektiviert? War Geld vonnöten? Welche Faktoren erschwerten die Revolution?
Wir erhalten hier differenzierte Auskünfte darüber, und das Fazit lautet, dass die Revolution nicht gescheitert, sonder lediglich militärisch besiegt worden ist. (...). Kenner der Ereignisse von 1936 bis 1939 werden beim vorliegenden Buch allerdings weniger fündig werden, was die Erweiterung ihres Erkenntnishorizontes angeht.

Meikel F.: Abel Paz und die Spanische Revolution
Fast 70 Jahre ist es her, dass bewaffnete ArbeiterInnen in Teilen Spaniens einen faschistischen Putsch zunächst siegreich niedergerungen haben. Durch die Unterstützung Italiens und Deutschlands und der Nichteinmischung Frankreichs und Englands war letztendlich der faschistische Putsch erfolgreich. Die Mehrheit der spanischen Arbeiterschaft war in der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT vertreten. Am Vorabend des 2. Weltkrieges strömten aber auch tausende Arbeiter aus allen Ländern der Welt nach Spanien. um den Faschismus zu bekämpfen. Eine einzigartige freiwillige Mobilisierung, die - wäre sie erfolgreich gewesen - den Lauf der Geschichte sicherlich geändert hätte. Von der Faszination dessen, was hätte sein können, wenn sie letztendlich siegreich gewesen wären, hat dieses sozialrevolutionäre Experiment wenig verloren. Mythen und Legenden ranken sich um diese Zeit, die in vielen Bereichen eine regelrechte Tragödie war. Es war der bisher größte Versuch Anarchie in die Tat umzusetzen und auf möglichst vielen Ebenen revolutionäre Veränderungen umzusetzen. Nur noch wenige, die diese Zeit miterlebt haben, leben noch. Abel Paz ist einer der wenigen. Bekannt geworden ist er durch die lesenswerte Chronik über den legendären Anarchisten Durruti. Aber auch sein eigenes Leben ist interessant genug für eine Biographie. Bis heute ist der 1921 geborene Abel Paz ein unbeugsamer Anhänger und Kämpfer für anarchistische Ansichten. In diesem Buch finden sich Vorträge und Interviews (u.a. mit der Terz), die mit Paz in den letzten Jahren geführt worden sind. Es spricht für ihn, dass er trotz der fortwährenden Angriffe und Denunziationen, die die anarchistische Bewegung gerade auch im Nachhinein erleben musste, einen kritischen Blick auf die damalige Zeit weitestgehend bewahrt hat. Nun ja, manchmal geht es auch etwas mit ihm durch. Dafür sei hier auf das außergewöhnliche Vorwort der Herausgeber hingewiesen, das sich in der Kürze sehr kritisch mit der anarchistischen Legendenbildung auseinandersetzt. Es war ein einzigartiger Versuch im letzten Jahrhundert, das Leben der Menschen zu verändern. „Wir haben die Revolution gewonnen. Was wir verloren haben, ist der Krieg.” sagt Paz an einer Stelle. Trotz der vielen Niederlagen ist Paz bis heute optimistisch geblieben: „Ich glaube, der Anarchismus wird wiederauferstehen, weil wir noch immer rebellisch sind.”
Also, auf was warten wir? Das Buch gibt einen guten, kleinen Einblick in die Geschehnisse und zeigt einen imponierenden Abel Paz. Ausgezeichnet ist die umfangreiche Bibliographie am Ende des Buches.

Seitenanfang | Zurück zur Startseite