ISBN 3-936049-55-6
264 Seiten
18 €

 

Yair Auron
Der Schmerz des Wissens

Die Holocaust- und Genozid-Problematik im Unterricht

Die Verletzung der Menschenrechte und Gleichgültigkeit angesichts des Leids anderer gefährdet die menschliche Gesellschaft. Der Holocaust ist der extremste Fall einer solchen Verletzung und zweifelsohne das äußerste moralische Versagen, das die Menschheit sich hat zu Schulden kommen lassen. Eine Auseinandersetzung sowohl mit dem Holocaust im Besonderen als auch mit Genozid im Allgemeinen dürfte wohl zum Verständnis der Wichtigkeit humanistischer und demokratischer Werte überhaupt beitragen. Sie könnte auch das Rüstzeug liefern, das wir dazu brauchen, moralisch zu urteilen. Deshalb sind Holocaust- und Genozidstudien zu einem festen Bestandteil der Lehrpläne in Schulen in Amerika und anderen Ländern geworden. Dieses Buch fragt danach, wie die moralischen Lehren, die sich aus derartigen historischen Vorkommnissen ergeben, in Schulen am besten vermittelt werden können.
Der Schmerz des Wissens befasst sich nicht mit historischen Ereignissen, vielmehr setzt das Buch sich damit auseinander, was und wie man aus diesen Ereignissen und ihrer Bedeutung lernen kann. Es bietet eine kritische Analyse der Dilemmata, welche die Holocaust- und Genozidthematik in der Pädagogik mit sich bringen. Wunsch des Verfassers war es, den Leser mit unterschiedlichen Meinungen über die Lehre der Thematik vertraut zu machen, Meinungen, die sich mitunter gegenseitig ausschließen, in anderen Fällen ergänzen. Wenn das Buch Leser dazu ermutigt, die Fragen aus einem breiten Blickwinkel zu betrachten, ist das Ziel erreicht.
Untersucht werden darin so unterschiedliche Themen wie die Art und Weise wie sich das kollektive Gedächtnis in Gesellschaften herauskristallisiert; historisch bedingte Veränderungen in der Lehre über den Holocaust in Israel während verschiedener Zeitabschnitte; erzieherische Aspekte des Gedenktags für die Märtyrer und Helden des Holocaust; Klassenfahrten israelischer Jugendlicher zu Stätten des Holocaust in Polen; Einstellung jüdisch-israelischer und arabisch-israelischer Jugendlicher zum Holocaust; schulische Aufklärung über den Holocaust weltweit; Thematisierung des Genozids in Schulen in Israel und anderen Ländern.

Der Autor
Yair Auron ist Professor an der Open University of Israel und der Kibbuzim College of Education. Er schrieb zahlreiche Artikel und Bücher über Genozid und Judaismus heute, darunter: Jewish-Israeli Identity und We are all German Jews: Jewish Radicals in France during the Sixties and Seventies.

Rezensionen

Micha Brumlik: Neue Erinnerungskultur. In: taz Magazin - Nr. 7959 vom 29.4.2006 mehr ...
Astrid Messerschmidt: "Zur pädagogischen Vermittlung des Holocaust" in: Newsletter zur Geschichte des Holocaust - Informationen des Fritz Bauer Institut, Nr. 28 - Februar 2006 mehr ...
Hans-Martin Schönnherr-Mann: "Der Holocaust im Unterricht" im Deutschlandfunk am 6.2.2006 mehr ...
Kaja Irle: "Holocaust im Unterricht" in: Frankfurter Rundschau vom 3.1.2006 mehr ...

Micha Brumlik: Neue Erinnerungskultur
Wie sich nachwachsende Generationen zur Massenvernichtung der europäischen Juden verhalten sollen, ist eine sehr wichtige Frage. Das gilt natürlich für Deutschland so, aber auch und gerade in jenem Land, das den Anspruch erhebt, Würde und Rechte der Opfer des Holocaust wie kein anderes zu vertreten: Israel.
Diese Verantwortung schlägt sich indes nicht nur in materieller Kompensation und politischem Eintreten nieder, sondern auch in einer nationalen Erinnerungskultur, die ihrerseits auf einem gezielten und gewollten pädagogischen Programm aufbaut. Die Gedenkstätte Jad Vaschem zum Beispiel, vor allem dafür bekannt, dass dort politische Besucher aus dem Ausland ihre Kränze niederlegen, spielt in der israelischen Pädagogik eine zentrale Rolle.
Der immer auch politisch instrumentalisierten Nationalpädagogik hat jetzt Yair Auron, Professor an der Open University of Israel und am Lehrerkolleg der Kibbuzim, die ebenso aufschlussreiche wie kritische Studie "Der Schmerz des Wissens" gewidmet. Auron gehört in Israel zu den ganz wenigen, die sich allen außenpolitischen Interessen zum Trotz mit dem jungtürkischen Genozid an den Armeniern auseinander setzen und ihn eindeutig als Vorläuferverbrechen des Holocaust einordnen.
Ausgehend von der neueren christlichen Holocaust-Theologie beginnt Auron mit "philosophischen Überlegungen", die ihn zur Geschichte der israelischen Holocaust-Erziehung führen. Er analysiert die Gestalt ihrer Lehrpläne und erlebnisbezogene didaktische Formen: etwa die in Israel stets bedeutsamen Märtyrer- und Heldengedenktage, an denen oft genug auch Rekruten feierlich vereidigt werden, oder die Reisen israelischer Jugendlicher an die Stätten der Vernichtungslager in Polen.
Instruktive Zusammenfassungen empirischer Studien zur Haltung jüdisch-israelischer und arabisch-israelischer Jugendlicher zur Schoah runden den Text ab. Konzeptionelle Betrachtungen zur Vermittlung genozidaler Erfahrungen des 20. Jahrhunderts eröffnen einen tiefer gehenden Ausblick und zeigen, dass nach Aurons Überzeugung eine ausschließliche Unterweisung in der Geschichte des Holocaust in der heutigen Welt zu kurz greift. Zugleich spricht er sich damit gegen jede jüdisch-nationalistische Verengung des zeitgeschichtlichen Unterrichts aus.
Aurons gründlich recherchierte und stets kritisch urteilende Studie ist in einer Zeit unverzichtbar, in der der Holocaust zum Paradigma und zur Ikone einer globalen Erinnerungskultur wird. Darüber hinaus ermöglicht sie es, die israelische Debatte gleichsam von innen kennen zu lernen, da bedeutsame Textstellen aus dem Hebräischen übersetzt sind und auf die englischsprachige Literatur verwiesen wird. So wird deutlich, welche pädagogischen Anstrengungen schon erfolgreich geleistet wurden und was noch zu tun ist.

Astrid Messerschmidt: Zur pädagogischen Vermittlung des Holocaust
(...) Der Schwerpunkt des Buches ist die Thematisierung des Holocaust im israelischen Bildungssystem. Auron macht auf die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Ansatzpunkte aufmerksam, ohne partikularistische Vermittlungsformen, die eher auf die Zusammenhörigkeit des jüdischen Volkes zielen, gegen universalisierende Zugänge, die den Holocaust als Menschheitsthema verstehen, gegeneinander auszuspielen. Die Darstellung zeichnet sich dadurch aus, dass die deutlich geäußerte Kritik des Autors an zionistischen Vereinnahmungen des Holocaust differenziert und facettenreich vorgetragen wird und den Lesenden keinesfalls nahe legt, vorschnell über Instrumentalisierungen zu urteilen. LeserInnen erfahren viel über die Pluralität der Positionen gegenüber dem Umgang mit dem Holocaust in Israel und erhalten Einblicke in politisch-pädagogische Kontroversen und Debatten. (...)

Hans-Martin Schönnherr-Mann: Der Holocaust im Unterricht
Ein Buch über didaktische Probleme bei der Behandlung des Holocaust im Schulunterricht spricht zwangsläufig vor allem über die Zeit danach. Und da sich Yair Auron nicht auf Israel beschränkt lernt man als Deutscher zunächst viel über das eigene Land. Dessen gegenwärtige Gesellschaft kann man nicht ohne den Blick auf den Holocaust verstehen - so Aurons verblüffende und eigentlich doch selbstverständige Feststellung. (...)
Yair Aurons Buch, das nicht nur für Geschichtslehrer sehr empfehlenswert ist, verdeutlicht, dass Israel und Deutschland immer noch Welten trennen. Irgendwie verwundert das. Aber wie sollte es anders sein?

Kaja Irle: Holocaust im Unterricht
Holocaust- und Genozidstudien sind zu einem festen Bestandteil des Schulunterrichts in Deutschland, Israel, den USA und anderen Ländern geworden. Denn wie kaum ein anderes Thema eignet sich die Auseinandersetzung mit dem Völkermord dazu, abstrakte Begriffe wie Barbarei und Humanität, Diktatur und Demokratie zu veranschaulichen. (...)
Hilfreich für Pädagogen: Auron analysiert die Holocaust-Rezeption in verschiedenen Ländern und Zeitabschnitten. Als Gradmesser dient ihm dabei, wie das jeweilige Bildungs- und Schulsystem den Holocaust reflektieren. Dazu gehört unter anderem, wie sich die NS-Vergangenheit in öffentlichen Diskurs in der Kinder- und Jugendbuchliteratur widerspiegelt(e). So hatte die israelische Jugendbuchforscherin Sohar Shavit in ihrer Studie "Eine Vergangenheit ohne Schatten" folgendes herausgefunden: Sie hatte belegt, dass viele deutsche Jugendbücher eine klare Unterscheidung zwischen den "ganz normalen" Deutschen und den deutschen Nazis machten - also zwei Gruppen zeigten, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten. Das Buch zeigt Wege, die Widersprüche aufzulösen

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